Die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften hat im Auftrag von ripa inculta! eine Kurzanalyse des für den Gestaltungsplan notwendigen Umweltverträglichkeitsberichts durchgeführt, die Ergebnisse sind erstaunlich:
In den letzten Jahren hat sich die Situation um das Projekt „Nuolen See“ verändert. Einerseits hat sich aufgrund der verbesserten Wasserqualität speziell die Flora in den Uferbereichen erholt und weiter ausgebreitet. Auf der anderen Seite haben sich auch die Rahmenbedingungen des Kiesabbaus sowie -transportes geändert. In einem ersten Schritt wird deshalb der bestehende UVB unter diesen Gesichtspunkten analysiert. Daraus werden die kritischen Punkte sowie die zu beantwortenden Fragen abgeleitet. Ziel ist eine ökologische Zustandanalyse im Gesamtkontext der realisierten sowie geplanten Veränderungen zu erhalten.
Datengrundlagen
– Recht
Eine zentrale Frage des vorliegenden Projekts ist, ob die Baggerbuchten als Seeflächen zu behandeln sind, oder nicht. Damit geht es um die Frage, ob die Bestimmung im Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer, welche das Einbringen von festen Stoffen in Seen untersagt, anzuwenden ist (GSchG Art. 39). Auch ob die Bedingungen für eine allfällige kantonale Ausnahmebewilligung vorliegen (GSchG Art. 39 Abs. 2), wäre zu prüfen. Auf jeden Fall wird im vorliegenden UVB nicht auf diesen Gesetzesartikel hingewiesen. Dies, obwohl gemäss UVP-Handbuch im UVB erforderliche Spezialbewilligungen aufgeführt werden müssen. Die rechtlichen Grundlagen (z.B. Schutz von Tier- und Pflanzenarten NHG Art. 18 und Ufervegetation NHG Art 21) werden nicht aufgezeigt. Eine mögliche Ausnahmebewilligung zur Beseitigung von Ufervegetation (Art. 21 UVPV) nach Natur- und Heimatschutzgesetz (Art. 22 Abs. 2 NHG) wird seitens der Verfasser nicht thematisiert.
– Raumplanung
Die raumplanerische Ausgangslage ist im genehmigten Teilzonenplan Nuolen See festgehalten und wird im Projekt als Rahmenbedingung berücksichtigt. Ein neues allfälliges Förderband und eine neue Schiffsverladestation für den Kiesabtransport aus den neuen Gruben über den Seeweg werden im UVB nicht angesprochen. Diese kommen aber mindestens teilweise in den Perimeter zu liegen.
– Landschaftsplanung
Die schützenswerten Ufergürtel sind im genehmigten Schutzzonenplan festgehalten und werden im Projekt berücksichtigt. Allerdings ist deren Aktualität und Vollständigkeit zu überprüfen. Der Einfluss eines neu zu erstellenden Kiesverladehafens auf das Landschaftsschutzgebiet Zürcher Obersee (BLN-Nr. 1406) wird nicht thematisiert und ist zu prüfen. Dieser untersteht in jedem Falle einer eigenen UVP.
– Boden / Untergrund und Altlasten
Die Untergrundanalysen und Altlastenabklärungen wurden durch Dr. F. Elber ausgeführt und in einem separaten Bericht zum UVB ausführlich dokumentiert. Die kontaminierten Bereiche konnten unter anderem durch zusätzliche Untersuchungen der Firma Ecosens AG eingegrenzt werden. In der Beilage zum Zusatzbericht zur UVB-Voruntersuchung ist das Entsorgungskonzept zu belastetem Aushubmaterial ausführlich dokumentiert.
– Wasserqualität
In beiden Buchten wurden 1997 Wasserproben in 0.5 m Tiefe entnommen und Messungen im Tiefenprofil durchgeführt. Die Proben wurden auf Nährstoffe und wassergefährdende Stoffe hin untersucht. Zusätzlich wurde eine Beurteilung bzgl. der Strömungsverhältnisse gemacht. Trübungsmessungen wurden keine durchgeführt, obwohl das Wasser im Bereich des Eindickers nach wie vor stark getrübt ist. Die Einleitbedingungen werden in der GSchV Art. 26 klar geregelt.
– Grundwasser
Der Bereich Grundwasser wird im UVB nicht ausführlich diskutiert. Die Grundwasserleiter und Gewässerschutzbereiche werden nicht beschrieben. Aufgrund der Stellungnahme des Amts für Umweltschutz, Abteilung Grundwasserschutz gibt es aber keine Einwände, da gemäss dem Gestaltungsplan Nuolen See keine erheblichen Eingriffe (wie beispielsweise neue Spundwände) in den Untergrund vorgesehen sind.
– Ufer
Die Untersuchung des Ufers basiert auf dem Bericht von Lachavanne et al. der Universität Genf aus dem Jahre 1991. Darin werden die Morphologie und Topographie der Ufer, der Flachwasserzone, die Wasserflora sowie die Typologie der Ufer beschrieben. Die Ufergebiete wurden in Abschnitte von ca. 500 m Länge unterteilt. Dies ist für die Beurteilung des vorliegenden Projekts möglicherweise zu grob. Innerhalb dieser Abschnitte kann es trotz einer schlechten Gesamtbewertung des Ufers durchaus ökologisch wertvolle Bereiche wie beispielsweise Schilfbestände geben. Bezüglich der Wasserpflanzenbestände wird ergänzend auf den Bericht von Vicentini aus dem Jahr 1999 hingewiesen. Aktuellere Untersuchungen wurden nicht gemacht. Es ist zu prüfen, ob sich die Morphologie der Ufer sowie die Wasserpflanzenbestände in den vergangenen 10 Jahren nicht markant geändert haben.
– Aquatische Flora und Fauna
Die Aufnahme von Fischen, Makrozoobenthos, Seegrund und Wasserpflanzen erfolgte mit einer ausführlichen fischereibiologischen Untersuchung durch Vicentini. Die Beschreibung der Wasserpflanzenbestände wird durch die Angaben von Lachavanne et al. ergänzt.
– Terrestrische Vegetation
Im Projektperimeter wurde eine grobe Aufnahme der Grünflächen vorgenommen. Von den Abtragungen und Schüttungen ist die terrestrische Vegetation nur wenig betroffen.
– Reptilien und Amphibien, Libellen
Angaben zu Reptilien- und Amphibienbeständen (und deren Lebensraum) sowie zu Libellen fehlen im UVB gänzlich.
– Vögel
Die einzige Informationsquelle für den UVB bilden die Aussagen des ehemaligen Präsidenten des Schwyzer Vogelschutzverbandes und eine unvollständige Beobachtungsliste (1940-1992) von Josef Appert. Diese Liste bezieht sich auf die benachbarten Naturschutzgebiete „Nuoler Ried“ und „Aahorn“.
– Luftschadstoffe / Staub
Sowohl die Prognosen zur Strassenverkehrsentwicklung als auch der Ausgangszustand beruhen auf einer Beurteilung der Umweltauswirkungen für den Golfplatz Nuolen. Es liegen keine Ergebnisse von Luftmessungen vor.
– Lärm
In der Wohn- und Gewerbezone des neuen Teilzonenplans wurden Kurzzeitmessungen von 10 Minuten an 10 verschiedenen Stellen durchgeführt und ausführlich diskutiert.
– Störfälle
Die möglichen Störfallereignisse während der Bau- und Betriebsphase werden aufgezeigt.
– Bootsplätze
Im UVB werden die 30 neuen Bootsplätze im Yachthafen Kiebitz einzig mit der Kompensation der aus dem Verkehr zu nehmenden immatrikulierten Lastschiffe der KIBAG gerechtfertigt. Der Bau von neuen Bootsplätzen ist vom gesetzlichen Standpunkt aus nicht verboten. Es besteht jedoch eine Übereinkunft der Anliegerkantone von Zürich- und Obersee, keine zusätzlichen Bootsplätze zu schaffen. In der Bucht der Steinfabrik Zürichsee AG (Hunzikerbucht) ist ein Bootshafen mit 40 Plätzen geplant. Eine Kompensation ist nicht vorgesehen.
Die bei der Analyse des UVB’s erkannten Unklarheiten sind nachfolgend zusammenfassend formuliert:
– Die rechtliche Ausgangslage der Seebuchten ist unklar. Es bestehen sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen. Die grundlegende Frage ist, ob die Bucht rechtlich als Seefläche oder als Kiesgrube gehandelt wird. Da im Grundbuch die Parzellen als See eingetragen sind, dürfte die Bucht als See gelten.
– Im Erläuterungsbericht Nutzungsplanung Nuolen See wird als Zeithorizont für den frühest möglichen Baubeginn das Jahr 2006 genannt. Der Endzustand nach Teilzonenplan wird allerdings erst ab ca. 2022 nach Abbruch der Kiesaufbereitungsanlage und des Betonwerks im Jahre 2014 erreicht. Gemäss der UVP-Richtlinie des Bundes muss in den Fällen, in denen feststeht, dass sich der Ausgangszustand bis zum Beginn des Baus der Anlage noch verändern wird, zusätzlich zwischen dem Ist-Zustand und dem Ausgangszustand (unmittelbar vor Beginn der Bauphase) unterschieden werden. Dies kann dann zweckmässig sein, wenn mit langen Verfahren zu rechnen ist und bis zu Baubeginn neue, in Bezug auf das Vorhaben möglicherweise bedeutende Bauten und Anlagen erstellt werden. Der UVP Leitfaden des Kanton Zürichs ergänzt, dass dieses Vorgehen eine Prognose bzw. Annahmen über die zu erwartende Entwicklung verlangt, wobei je nach Unsicherheit mit Streubereichen zu rechnen ist. Damit ist es angezeigt, die Bestandesaufnahmen zu aktualisieren oder zumindest Annahmen über die Entwicklung bis zu Baubeginn zu berücksichtigen.
– Die zugrundeliegenden Vogelbestandesaufnahmen sind unvollständig und waren bereits zum Zeitpunkt der Bearbeitung des UVB’s nicht aktuell. Ausserdem bezieht sich die Kartierung auf die benachbarten Naturschutzgebiete Nuoler Ried und Aadelta und nicht auf das Projektgebiet Nuolen See. Vorkommen von Reptilien, Amphibien und Libellen wurden nicht erhoben und berücksichtigt.
– Der Einlauf des Eindickers der Firma KIBAG hat eine deutliche Trübung des Wassers zur Folge. Es ist davon auszugehen, dass dies die aquatische Flora und Fauna stark beeinträchtigt.
– Der Einfluss der Fundamente und allfälligen Kellergeschosse der geplanten Bauten auf die Grundwasserströmung im Gewässerschutzbereich Au ist ungeklärt.
– Die Kompensation der neuen Bootsplätze durch Exmatrikulation bestehender Ledischiffe ist fragwürdig. Aus dem Bericht gehen weder die Art noch die Stationierung der exmatrikulierten Schiffe der KIBAG hervor, welche gegen neue Plätze eingetauscht werden sollen.
– Die Zukunft des Kiesgeschäfts der Firma KIBAG im Bereich Nuolen ist im bestehenden UVB nicht berücksichtigt. Gemäss Plänen der KIBAG sind neue Abbaugebiete (v.a. Gemeinde Tuggen) bewilligt oder in Überprüfung. Die Gesamtbeurteilung muss auch die Aspekte und Rahmenbedingungen des zukünftigen Kiesabbaus berücksichtigen (z.B. Kiesabbaukonzession). Hinzu kommt der Modalsplit für den Kiesabtransport, der weiterhin zu 60% über den See erfolgen soll.
– Es ist geplant, ein neues Förderband zum Hafen der Genossame Wangen zu bauen, wo ein neuer Schiffsanlegeplatz vorgesehen ist. Dazu sind 3 Varianten ausgearbeitet worden. Die Realisation dieses Vorhabens ist aufgrund des notwendigen Landerwerbs und der ausstehenden Bewilligungen noch ungewiss. Diese Planung müsste Bestandteil der Betrachtungen sein. Der neue Verladehafen unterliegt seinerseits der UVP-Pflicht.
– Der Vergleich der Betriebs- und Bauphase mit dem heutigen Ist-Zustand (Werke noch in Betrieb) verfälscht unter Umständen die Prognosen bezüglich ökologischer Verbesserungen durch das Projektvorhaben. Eine ökologische Potentialabschätzung für den Lebensraum „Nuolen See“ ohne massive Störungen (kein Betrieb der Werke, Eindicker, Bootsverkehr) als Vergleich zum Ist-Zustand fehlt.
– Die Wasserqualität sollte im Hinblick auf die geplante Badeanstalt geklärt werden (Trübung, chemische Zusammensetzung, hygienische Parameter).
– Die geplante kommunale Badeanstalt kommt teilweise in den Bereich der Hafeneinfahrt des Jachthafens Kiebitz zu liegen. Sicherheitstechnische Aspekte und das Konfliktpotential mit dem nahegelegenen Schilfgebiet müssen bei der Beurteilung der Realisierbarkeit berücksichtigt werden.
– Eine Abschätzung der Auswirkungen des geplanten Durchbruchs zwischen den beiden Buchten auf die Wasserqualität und die aquatischen Lebensräume ist für die Einschätzung des Projektes notwendig.